Fünf Empfehlungen für besseren Sex in langjährigen Beziehungen

Für viele Paare scheint es die Quadratur des Kreises zu sein: Sie wünschen sich ein aufregendes, erfülltes Liebesleben in einer gleichzeitig sicheren und vertrauten langlebigen Beziehung. Und vielleicht kennen wir sogar Paare, die scheinbar genau das schaffen. Ich schreibe extra „scheinbar“, denn so genau wissen wir es dann ja doch nicht. Trotz aller medialen Offenheit bleibt unser eigenes Liebesleben privat. So privat, dass wir auch über Schwierigkeiten nicht so gern sprechen. Weder mit unserem Partner noch mit anderen. Ich erinnere mich dabei an eine Freundin, von der ich auch lange glaubte, sie sei in dieser und jeder anderen Hinsicht zufrieden. Sie war es jedoch nicht, ganz im Gegenteil. Die Beziehung lief komplett schief, das Liebesleben lag brach. Nur war sie zu stolz, darüber zu sprechen.

Damit möchte ich Dich dazu ermuntern, auch das Liebesleben der anderen mit einem etwas realistischeren Blick zu betrachten. Es gibt Paare, die es schaffen, über lange Dauer ein erfüllendes Sexleben aufrecht zu erhalten. Aber wir finden eben auch sehr viele Paare, die irgendwann feststellen, dass das letzte Mal schon eine ganze Weile her ist. Sie erinnern sich zurück an wilde, aufregende Zeiten, in denen nichts anderes zählte, als sich gegenseitig zu erkunden und Lust zu verschaffen. Ein (Liebes-)Leben mit Höhen und Tiefen, die sie gemeinsam durchsegelt haben. Und sie fragen sich, wo diese unbändige Lust nur geblieben sein könnte.

Wo bleibt die Lust?

Die gute Nachricht: Sie ist nicht verschwunden. Sie hat sich nur zurückgezogen und anderen Dingen Platz gemacht, wie dem Aufbau eines gemeinsamen Lebens, Kindern, beruflichen Karrieren, eigenen Selbstverwirklichungsansprüchen. Vielleicht ist ihr auch langweilig geworden in immer gleichen Liebesspielen oder in der alltäglichen Sprachlosigkeit.

Beziehungen folgen häufig einem bestimmten Muster:

  • Nach der heißen Anfangszeit wird es ruhiger. Aus der heftigen Verliebtheit entwickelt sich ein Gefühl tiefer Vertrautheit und Liebe.
  • Andere Lebensbereiche werden wieder wichtiger und die gemeinsam verbrachte Zeit nimmt ab.
  • Und weniger Zeit miteinander zu verbringen bedeutet, weniger Zeit für Sex zu haben.

Selbst Paare, die zusammenziehen, sehen sich manchmal nur noch beim Aufstehen oder Schlafengehen. Und manchmal nicht einmal das. Wenn beide zum Beispiel viel reisen oder einen völlig unterschiedlichen Arbeits- oder Schlafrhythmus haben. Dann sehen sie sich nur noch zwischen Tür und Angel, reden wenig miteinander und wenn dann vor allem über die Dinge des Alltags. Sie tauschen sich schlimmstenfalls kaum noch über ihre Gefühlswelt aus. Küsse und Umarmungen bleiben flüchtig. Unbemerkt verlieren sie sich emotional aus den Augen.

Auch im Bett bleibt es oftmals beim kleinsten gemeinsamen Nenner. Schließlich gab es in der Anfangsphase genügend Zeit, sich ausgiebig miteinander zu beschäftigen und herauszufinden, was uns selbst oder dem anderen gefällt. Und dabei bleiben wir dann auch gern. Ein wenig hier und da anfassen und schon sollen wir auf Hochtouren laufen. Das hat am Anfang ja auch prima geklappt. Und wir wundern wir uns mit großen Augen, wenn es heute nicht mehr so läuft.

Schuld daran ist unsere größte erogene Zone, unser Gehirn. Denn wenn der Kopf nicht mitspielt, kann die aufregendste und intensivste Berührung nichts bewirken. Wenn wir das Begehren aus unserem Alltag ausschließen, wenn wir emotional kaum noch miteinander in Kontakt sind, wenn der Sex nach Schema F läuft, wie soll sich dann die Lust immer wieder aufs Neue in einem grandiosen Feuerwerk entfachen? Und daran können wir durchaus etwas ändern. Denn die Lust ist nicht gänzlich verschwunden.

Das Wichtigste: Ihr müsst es wirklich wollen!

Was nicht verschwunden ist, können wir wieder erwecken. Nur müssen wir es wirklich wollen. Und auch das schreibe ich auch ganz bewusst so. Manchmal steigern wir ins in Ansprüche hinein. Und wenn sie dann endlich erfüllt werden, stellen wir fest, dass es das gar nicht war, was wir wollten. Das kann beim Sex schon einmal passieren. Ein Partner drängt und drängt, der andere gibt nach. Und dann ist der Sex öde und fad. Warum? Weil es der Mensch ist, den wir spüren möchten. Aber getroffen haben sich nur unsere Geschlechtsorgane​.

Es gibt durchaus Paare, die gefühlt schon immer zusammen sind und die sich ganz ohne Sex glücklich fühlen. Sie haben eine innere Verbindung, die sie erfüllt. Andere Beziehungen verlagern das Liebesleben nach außen. Das ist wunderbar, solange alle damit einverstanden sind. Nur weil wir nicht mehr miteinander schlafen, bedeutet das nicht, dass wir unglücklich und unzufrieden sein müssen. Deshalb überlegt Euch genau, was Ihr wollt. Und wenn das Sex ist, dann nichts wie los!

Es ist allerdings ein Trugschluss zu glauben, dass buntes Liebesspielzeug, außergewöhnliche Sexpraktiken, abenteuerliche Stellungen oder ausgefallene Rollenspiele die Lösung sind. So einfach ist das nicht. Oder so kompliziert. Der Ansatz findet sich auf der Beziehungsebene. Ihr braucht zuerst wieder eine gute emotionale Verbindung. Die stellt sich ein, wenn Ihr das Folgende beachtet. Und erst dann solltet Ihr mit den Abenteuern beginnen

​1. Nehmt euch Zeit füreinander

zu spät kommen

​Ihr müsst nicht aufeinander glucken. Aber Ihr braucht bestimmte Zeiten nur für Euch. Seien es einzelne Abende, Rituale am Sonntagmorgen, ganze Wochenenden oder der gemeinsam geplante und verbrachte Urlaub. Wann war Eure letzte bewusst gemeinsam verbrachte Zeit? Wann seid Ihr das letzte Mal ausgegangen, habt Spaß miteinander gehabt?

​Viele Paare zerreiben sich am Haushalt. Neulich habe ich ein schönes Video dazu gesehen. Ein Mann spricht darüber, dass er seiner Frau nicht im Haushalt helfe. Er brauche ihr auch gar nicht „zu helfen“, schließlich übernehme er selbstverständlich seinen Teil am Haushalt. Das ist tatsächlich eine andere Betrachtungsweise. Und jetzt haben Forscher in einer Studie festgestellt, dass Paare, die sich eine Haushaltshilfe gönnen, glücklicher sind. Warum also nicht etwas Geld investieren und die gewonnene Zeit (und die geschonten Nerven) für etwas Schönes verwenden?!

Das gilt besonders für Eltern, die viel zu oft das Liebespaar in sich vergessen. Schaufelt Euch Zeit frei. Investiert in einen Babysitter und spannt eure Familie oder eure Freunde mit ein. Nehmt Euch ab und zu eine Auszeit vom Elternsein und genießt stattdessen die Zweisamkeit. Macht Euch schön für Euch selber und füreinander. Plant gemeinsam etwas, das Euch beiden gefällt, damit Ihr nicht am Ende mit Euren Tablets oder Smartphones sprachlos vor dem Fernseher sitzt.

2. Zeigt Interesse füreinander

​Manche Paare unternehmen alles zusammen. Bei den einen klappt das ganz hervorragend, den anderen fehlt schlichtweg die Luft zum Atmen.

​Nach meiner Erfahrung ist es gut, auch eigene Wege zu gehen und eigenen Interessen zu folgen. Dabei entwickeln wir uns weiter, stärken unser Selbstvertrauen und machen uns interessant. Und genau das kann für den anderen sehr spannend sein. Denn wir begehren immer das, was wir nicht haben können. Wenn der andere also immer verfügbar ist und wir ganz genau wissen, was er oder sie denkt, gibt uns das zwar ein Gefühl der Sicherheit. Aber wir wollen ja auch aufregenden Sex haben! Und dazu brauchen wir eine gewisse Spannung.

​Andere Paare wiederum haben kaum gemeinsame Interessen und interessieren sich auch nicht für das, was der andere da so macht. Wenn wir uns nicht beachtet fühlen, überträgt sich das auch auf das Liebesleben. Warum sollten wir dann hier alles geben? Solche Paare sollten einmal schauen, ob es nicht doch etwas gibt, das ihnen beiden Spaß macht. Ein Mindestmaß an Gemeinsamkeit braucht jede Beziehung. Es gilt also, die goldene Mitte zu finden.

3. Redet wirklich miteinander

Wusstest Du, dass die meisten Paare nur knapp zehn Minuten am Tag miteinander reden? Jetzt überlege einmal, was da so alles an Inhalt hineinpasst.

  • „Ist der Kaffee schon fertig?“
  • „Kommst du heute Abend zum Essen nach Hause?“
  • „Holst du heute die Kinder aus der Kita ab?“
  • „Der Wagen muss demnächst zur Inspektion.“

Kurz und knapp, Alltag eben. Aber was ist mit unseren Gefühlen? Was ist mit uns? Wir brauchen das Gefühl, wahrgenommen zu werden. Wir möchten wertgeschätzt werden. Wir wollen uns mitteilen. Und wir möchten, dass der andere uns zuhört. Wir spiegeln uns im anderen. Innerlich machen wir dicht, wenn wir zu oft gegen die Wand laufen. Unsere Liebesgefühle sterben nach und nach ab. Denn die sind ja nicht einfach so da wie unsere Möbel. Sie wollen gehegt und gepflegt werden.

Deshalb sprecht wirklich miteinander. Wann? In der Zeit, die Ihr Euch frei geschaufelt habe. Oder zwischendurch. Haltet kurz inne. Wie geht es mir mit Dir? Wie geht es Dir mit mir? Was bewegt uns wirklich? Das kleine Pflänzchen namens Begehren beginnt so langsam sich zu rühren. Fühlen wir uns erst einmal wahrgenommen und beachtet, kann auch dieses Begehren wieder Einzug in unsere Gefühle halten.

4. Geht zärtlich miteinander um

„Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.“ Das ist etwas dran. Wir können nicht erwarten, etwas zu bekommen, wenn wir selber nichts geben. Das klappt vielleicht ein, zwei, drei Mal und dann ist Schluss. Dabei muss nicht Gleiches mit Gleichem vergolten werden. Es ist wieder das Gefühl, wahrgenommen zu werden, das zählt. Und in einer richtig ausgiebigen und umfassenden Umarmung fühlen wir uns genau so. Wahrgenommen. Dazu ein Kuss, eine kleine Neckerei, liebe Worte. Dafür sollte immer Zeit sein. Und es tut so gut!

Kleine Aufmerksamkeiten und Liebeleien bewirken Wunder. Sie fördern das Vertrauen und auch unsere Bereitschaft, uns auf den anderen wirklich einzulassen. Und wie schnell kann daraus dann mehr werden! Apropos mehr: Ihr solltet nicht jedes Mal mehr daraus machen. Denn daraus entsteht schnell eine Erwartungshaltung. Ein Nein ab und zu oder ein Kuss, der ein Kuss bleibt, kann das Begehren durchaus entfachen. Nicht nach Plan bitte, lieber mit etwas Humor.

5. Redet über eure sexuellen Wünsche​

Jetzt geht es ans Eingemachte. Das Thema Reden hatten wir weiter oben schon. Dabei ging es um das Miteinander. Jetzt geht es um den Sex und unsere Bedürfnisse, Wünsche, Fantasien dabei. Das Reden darüber fällt so vielen Menschen so unglaublich schwer. Wir haben Angst, abgewiesen, abgelehnt oder ausgelacht zu werden. Wir wollen nicht bedürftig erscheinen. Wir wollen den anderen aber auch nicht verschrecken. Und bevor uns das geschieht, schweigen wir lieber. Aber wie soll der andere wissen, was uns bewegt, was wir uns wünschen? Wenn wir nicht deutlich machen, was wir brauchen, können wir auch nicht erwarten, dies zu bekommen. Über Sex zu sprechen, bedeutet auch, ihn aus unserem Schlafzimmer herauszuholen und in unser Leben zu integrieren als etwas Lebendiges, das dazu gehört.

Sexualität existiert nicht losgelöst für sich allein. Sie ist eben kein Trieb wie Hunger oder Durst. Sie ist ein fester Bestandteil unserer Persönlichkeit und damit so individuell in ihrem Ausdruck wie wir selbst.

Uns zu offenbaren, erfordert auf der einen Seite viel Mut. Und es erfordert auf der anderen Seite die Feinfühligkeit und das Verständnis, damit vertrauensvoll umzugehen. Hier sind wir so unglaublich verletzlich. Ein falsches Wort, ein komischer Blick und wir ziehen uns umgehend in unser sexuelles Schneckenhaus zurück.

Wie kommt Ihr nun ins Gespräch? Nehmt Euch auch hier bewusst Zeit füreinander. Das geht nicht mal eben kurz vor dem Einschlafen. Macht einen ausgiebigen Spaziergang und redet zuerst einmal nur über das, was Euch gefällt. Dadurch gewinnt Ihr an Sicherheit auf diesem heißen Pflaster. Und je sicherer Ihr Euch fühlt, desto mehr könnt Ihr Euch öffnen.

  • Was war beim letzten Mal besonders schön?
  • Was hat Euch beim ersten Mal so gut gefallen?
  • Was mögt Ihr am anderen besonders gern?
  • Was möchtet Ihr noch einmal wiederholen?
  • Welche Berührungen fühlen sich gut an?

​Ihr werdet feststellen, dass Euer Partner auch Wünsche, Ängste und Hemmungen hat. Gemeinsam könnt Ihr herausfinden, was Euch fehlt, was Ihr ausprobieren möchtet oder warum Ihr manchmal eben keine Lust habt. Das Reden über Sex eröffnet Euch eine ganz neue Form der Intimität. Ihr kommt Euch näher, sowohl Euch selber als auch Eurem Partner.

Worauf es wirklich ankommt​

Wie ich weiter oben bereits angesprochen habe, kommt es in dieser Phase nicht darauf an, den Erotikshop zu stürmen und in heißen Dessous durch die Wohnung zu turnen. Zuerst kommen Nähe, Intimität, Achtsamkeit und die Wiederherstellung der emotionalen Verbindung. Und wenn das da ist, wird der einfachste Akt zum Hochgenuss. Das verspreche ich Euch.

Anja Drews
 

Als Dipl.-Sexualpädagogin, Sexualtherapeutin und Sexualwissenschaftlerin unterstütze ich Menschen dabei, ihren ganz eigenen Weg in dieser wohl spannendsten und vielfältigsten Seite unseres Lebens zu finden. Meine Arbeit erfüllt mich mit großer Freude und begeistert mich immer wieder aufs Neue! Ausführliche Informationen über mich findest du hier auf der Seite.

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