Lustlosigkeit: Wenn ein Mann die Lust am Sex verliert

Immer diese irrigen, jedoch sehr hartnäckigen Weltbilder, die sich so schwer ausmerzen lassen. Die Sonne dreht sich um die Erde. Ja, das haben die Menschen ernsthaft gedacht, bevor Kopernikus dieses Weltbild im 16. Jahrhundert auf den Kopf stellte. Eine Sensation, ein Umsturz der bisherigen Selbstwahrnehmung. Alles schien mit einem Mal anders und der Mensch nicht mehr der Mittelpunkt des Universums. Das war so unglaublich, dass die Kirche sofort einschritt und Kopernikus’ Werk auf den Index setzte. Für ganze 200 Jahre. 

Sexuelle Unlust beim Mann

Aber die Wahrheit lässt sich nun einmal nicht auf ewig verbiegen und irgendwann setzt sie sich durch. Und genau deshalb kommt heute etwas ganz ähnlich Revolutionäres auf unser Weltbild zu. Genauer gesagt auf unser Männerbild. Noch genauer gesagt geht es um die männliche Lust. Und zwar die Unlust.

Männer können immer? Männer wollen immer?

Dass Männer immer Lust haben und diese auch immer ausleben wollen bzw. können, war bislang so etwas wie ein ungeschriebenes Gesetz. Unverrückbar in den Köpfen der Menschen verankert, bei Frauen wie auch bei Männern. Diese Tatsache infrage zu stellen, wirkte ähnlich undenkbar wie damals Kopernikus’ Bild vom neuen Universum. ​

Ich weiß nicht, wann der Glaube entstanden ist. Vielleicht zusammen mit dem Bild der die Erde umkreisenden Sonne. Vielleicht auch erst später. Ich zumindest habe die vermeintliche Wahrheit schon in der Pubertät mit dem ersten Kuss aufgesaugt.

Klar, bei pubertierenden Jungen ist der Penis ja auch unberechenbar. Er reagiert auf Mikroreize, kaum wahrnehmbar für das männliche Bewusstsein. Wie sich herausstellt, hält sich diese Unberechenbarkeit später häufig auch, nur eben in die andere Richtung. Erst macht er, was er will und dann will er nicht so, wie er soll. Naja, wie das so ist im Leben.

Die permanente Verfügbarkeit männlicher, jugendlicher Lust prägt sich jedoch ein, in das Selbstbild des Mannes wie auch der Frau. Wir kreisen sozusagen um die männliche Lust wie früher die Sonne um die Erde, um noch einmal das Beispiel von Kopernikus zu bemühen. Und das übt auch jede Menge Druck aus.

​Auch auf meiner Seite war das große Erstaunen groß, als zum ersten Mal ein Partner aus dieser so festgeschriebenen Rolle fiel. Wie, keine Lust auf Sex? Mit mir? Ungeheuerlich. ​

Zuviel Druck verhindert die Entfaltung der Lust

Heute genießt das Thema Unlust viel mediale Aufmerksamkeit. Immer mehr Paare klagen über fehlende Lust. Während diese bisher jedoch als reine Frauendomäne galt, befällt sie mittlerweile auch zunehmend Männer. Und die stehen unter einen immensen Druck.

  • ​Männer fragen sich selbst „Was stimmt mit mir nicht? Warum habe ich keine Lust auf Sex?“ Haben sie doch verinnerlicht, dass Männer immer wollen und immer können.
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    ​Druck entsteht aber auch durch die Partnerin. Denn die fragt ebenfalls „Was stimmt mit mir nicht? Warum hast du keine Lust auf mich?“ Haben Frauen doch genauso verinnerlicht, dass Männer immer wollen und immer können. Sie machen ihre Attraktivität und ihr Selbstwertgefühl abhängig von der Lust ihres Gegenübers.

Was für eine Last, die Männer da zu tragen haben! Und schon geht erst recht nichts mehr.

Dabei öffnet sich durch eine neue Sichtweise die Tür zu mehr Selbstverständnis, zu mehr Selbstbestimmung, zu mehr wirklicher Lust! Wie viel schöner noch könnte Sex sein, wenn sich jeder Mann die Freiheit nähme, viel mehr in sich hinein zu fühlen und immer wieder neu zu entscheiden, ob er gerade Lust hat, worauf genau und auf wie viel davon.

Was wollen Männer wirklich? (Lustlosigkeit auf der Spur)

​Bilder von außen bestimmen, was ein Mann zu wollen und zu leisten hat. Hollywood, Porno, Aufklärung. Letztere beschäftigt sich leider auch immer noch vor allem mit Safer Sex und der Verhütung von Schwangerschaften. Im Mittelpunkt steht damit eine Praktik und weniger das Lustempfinden als solches. Diese Einflüsse bestärken sehr viele Männer in der Überzeugung, dass dies auch genau das sei, was sie wollen.

Der Geschlechtsverkehr mitsamt seiner oft sportlichen Höchstleistung steht ganz weit oben im Kurs. Und das ist genau die Praktik, bei der am ehesten etwas nicht so läuft, wie es soll. Und wenn es nicht so läuft, wie es soll, ziehen sich Männer gern mal zurück. Wird dann nicht geredet, herrschen Sprachlosigkeit und Unverständnis.

Lustlosigkeit Mann

Beginnen Männer aber erst einmal, ihre Lust zu erforschen, stellen nicht wenige fest, dass es da noch weit mehr und vor allem lustvolleres gibt als das Zusammenstecken der Genitalien. Aber wie damit umgehen? Schließlich geben Frauen ihnen auf der anderen Seite ja auch zu verstehen, dass sie genau das erwarten. Aber auch das ist ja wiederum genauso durch die Bilder von außen geprägt. Und schon haben wir hier einen kleinen Teufelskreis. An dieser Stelle setzt auch die Arbeit in der sexualtherapeutischen Praxis an. Weg vom konventionellen Modell hin zu mehr Vielfalt, Leichtigkeit und Lustempfinden.

Ehrlich gesagt bin ich der festen Überzeugung, dass Männer auch früher schon hier und da keine Lust hatten. Da die Ansprüche an die Sex-Qualität und die weibliche Lust aber nicht so hoch waren, ließ sich zumeist noch etwas bewerkstelligen. Und so ist es vielleicht auch ganz gut, einmal innezuhalten und sich zu fragen: „Ist das hier auch das, was ich wirklich möchte?“

Tipp: Wenn das  "zu schnell kommen" ein Grund sein könnte die Lust zu schmälern. 

Männer sind keine Maschinen und dürfen auch einmal sexuell Lustlos sein

Fakt ist also, dass Männer keine Maschinen sind. Sie sind ebenso störanfällig durch äußere oder innere Einflüsse wie Frauen. Nur ist es bei ihnen meist offensichtlicher und weniger selbstverständlich. Sie kommen zu früh, zu spät oder gar nicht. Und auch ihnen vergeht zuweilen die Lust.

Vorbei sind die Zeiten, in denen Erektionsprobleme per se auf rein körperliche Ursachen zurückgeführt und durch die Einnahme einer blauen Pille behoben werden können. Zumal genau diese blaue Pille bei fehlender Lust gar keinen Erfolg zeigt. Der Penis lässt sich eben nicht zu etwas zwingen, das er gar nicht möchte. Auch nicht bei sexueller Unlust. 

Lust steigern, sexuelle Unlust

Und so zeigt er sich als Symptom für eine Schieflage des Gemüts und sollte auch als solches verstanden werden. Dann heißt es, in sich hineinzufühlen und herauszufinden, worauf Mann tatsächlich Lust hat. Vielleicht ist es eben nicht der Hochleistungssport sondern stattdessen etwas ganz anderes.

Anja Drews
 

Als Dipl.-Sexualpädagogin, Sexualtherapeutin und Sexualwissenschaftlerin unterstütze ich Menschen dabei, ihren ganz eigenen Weg in dieser wohl spannendsten und vielfältigsten Seite unseres Lebens zu finden. Meine Arbeit erfüllt mich mit großer Freude und begeistert mich immer wieder aufs Neue! Ausführliche Informationen über mich findest du hier auf der Seite.

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