Keine Lust auf Sex? Kein Wunder! Ein Plädoyer für mehr Vielfalt im Bett

Frisch verliebt? Yeah, dann brennt die Hütte! Wir sind verliebt in unser Gegenüber, aber auch in das Gefühl der Verliebtheit, die Welt scheint sich nur noch um uns zu drehen. Freunde, Familie, Job oder Hobbys blitzen zwischendurch mal kurz auf in unserem Universum ​der Lust und Liebe. Forsch und unerschrocken wird ausprobiert, was das Zeug hält.

Grenzen werden ausgetestet und wir sind offen für Experimente. Hm, was gefällt dir? Was gefällt mir? Tauschen wir uns doch aus und rutschen mal auf die eine und dann wieder auf die andere Seite.

Wir sind mutig und zeigen uns gern von unserer aufregendsten Seite.

Im Rausch der Gefühle ist es nicht so wichtig, ob wir das schon immer mal genauso haben wollten oder eigentlich ganz anders. Und wenn es dann doch einmal nicht ganz so gut ist, tun wir zuweilen einfach so, um die Freude des anderen zu genießen. Denn auch die wirkt wie ein Brandbeschleuniger im Feuerwerk der Lust. Zumindest am Anfang.

Die ungezügelte Lust im Rausch der Verliebtheit

Neurobiologisch betrachtet befindet sich unser Gehirn in dieser Anfangszeit im Rauschzustand. Immerhin werden dieselben Hirnareale aktiviert wie beim Drogenkonsum. Doch dieses Dauerfeuer der Hormone lässt sich nicht ewig erhalten. Das hat die Natur schon ganz gut eingerichtet. Denn wer kann schon über Monate oder gar Jahre nur an das Eine denken? Dieses Eine ist ja ursprünglich nur dazu gedacht, Nachwuchs zu zeugen. Und wenn der sich dann einstellt, tritt die Brutpflege in den Vordergrund und die Lust lässt nach. Ursprünglich zumindest.

Aber die Natur lässt sich hier nicht überlisten, selbst wenn es gar keinen Nachwuchs gibt.

Das Dauerfeuer beruhigt sich unerbittlich. Und während sich die Hormone und Gefühle im Laufe der Zeit ganz langsam wieder normalisieren, treten unsere Grenzen, Wünsche und Ängste wieder zutage. Wir befinden uns wieder im Normalzustand.

Wir mutieren wieder in unser Selbst zurück und verlieren auf diesem Weg auch die weichzeichnende rosarote Brille. „Nein, das möchte ich nicht.“ „Und ich das nicht.“ „Ich bin müde, muss morgen früh raus.“ 

​Der Wandel von der erotischen Vielfalt zur zielgerichteten Einfachheit

Die Vielfalt in den sexuellen ​Begegnungen schrumpft im Laufe der Zeit bei vielen Paaren auf ein Niveau, das mit der explosiven Anfangszeit oft nur noch wenig gemein hat.

Aus Zeitmangel und praktischen Erwägungen heraus beschränkt sich die Aktivität auf das scheinbar Erfolg versprechende klassische Modell des Vorspiel-Hauptakt-Nachspiel-Szenario. Wobei das Nachspiel später auch noch viel zu oft unter das Bett fällt. Verzeihung, unter den Tisch.

Aus irgendwelchen Gründen hält sich aber hartnäckig der Glaube, dass dies die am meisten erfüllende Art von Liebesspiel sei. Allen ​entgegenwirkenden Anzeichen zum Trotz. Fehlender Lust zum Beispiel. Aber Fehlanzeige. Hartnäckig wird an diesem Modell festgehalten. Das muss doch funktionieren! Hat es doch am Anfang auch getan! Vergessen sind die Vielfalt, die zeitlichen Möglichkeiten und die alles umhüllende rosarote Brille einer Zeit, in der auch die einfachste sexuelle Handlung zu einem ganz großen Ding wurde.

Zweckgerichtet muss das Ganze jetzt aber auch sein. Denn bei vielen Paaren rutscht der Sex wie von Zauberhand ans Ende des Tages. Genauer gesagt in die kurze Zeit zwischen Weckerstellen und Einschlafen. Vom Bad in den Schlafanzug, unter die Bettdecke und nun soll es krachen. Das alte Feuerwerk wird sehnsüchtig erwartet. Nur stellt es sich nicht ein. „So nicht“ scheint es in die Welt hinauszuposaunen. Und wird trotzdem nicht gehört.

Unlust

​Kann der Orgasmus wirklich das Maß aller Dinge sein?

Mit dem Begriff „erfolgversprechend“ meine ich übrigens den Orgasmus, der als das Maß aller Maße gilt. Der ist bei dieser Art von Sex allerdings vor allem für eine Seite erfolgversprechend, zumindest bei heterosexuellen Paaren.

Drei von vier Frauen schaffen den Höhepunkt nicht durch reine Penetration.

Aber auch Männer geraten zunehmend unter Druck auf dieser leistungsorientierten Zielgeraden. Sie kommen zu früh oder eben auch gar nicht. Wir sagen dann gern: „Ach, der Orgasmus ist gar nicht so wichtig. Es ist auch so schön.“ Und das mag auch stimmen, wäre da nicht dieser leichte bittere Nachgeschmack. Bei anderen klappt es doch auch? Nicht unbedingt. Eher heißt es „Willkommen im Club“.

Eine andere Möglichkeit ist das Vorspielen.

Meg Ryan sei Dank ist dieses Thema ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Wir spielen vor, dass uns etwas höchste Lust bereitet, was aber in Wirklichkeit überhaupt nicht der Fall ist. Frauen wie Männer übrigens gleichermaßen. Damit nehmen wir uns nicht nur die Lust sondern auch die Möglichkeit, stattdessen etwas anderes auszuprobieren und so aus der Falle wieder herauszukommen. Dass das auf Dauer nicht lustfördernd ist, scheint klar. Ist es vielen Menschen aber nicht.

Manchmal ist weniger mehr? Nicht beim Sex!

Hier möchte ich auf diese Vereinfachung sexueller Leidenschaft hinaus. Statt erotischer Lebendigkeit, emotionalen Wohlbefindens und sinnlicher Ekstase praktizieren wir eine Reduzierung auf die rein körperliche Begegnung. Ich nenne das die „KFR-Falle“. Knutschen, Fummeln, Reinstecken.

Etwas Humor muss sein. Aber diese Formel veranschaulicht ​so schön, worum es geht. Und erstaunlich viele Paare finden sich in unseren Gesprächen hier wieder.  Verführung, Kreativität oder Individualität bleiben beim Modell KFR auf der Strecke. „Du kannst dich ja schon mal ausziehen“, zitierte eine Klientin neulich in meiner Praxis ihren Partner. Wow, was für eine Einladung! Da möchten wir uns doch sofort die Kleider vom Leib reißen.

​Auf Dauer, da seien wir doch einmal ganz ehrlich, ist dieses immergleiche Modell ​im ansonsten oft erotisch luftleeren Raum schlicht und ergreifend ​einfach klangweilig. Und was uns langweilt, kann zwar kurzzeitig lustvoll sein, ist aber nichts, nach dem wir inbrünstig streben.

Wie kann der Sex wieder lustvoll werden?

Sex ist mehr als Geschlechtsverkehr. Guter Sex ist nicht gleichzusetzen mit dem Erreichen eines Orgasmus. Sex ist auch mehr als das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Körper.

Sex beginnt im Kopf.

Sex braucht unsere Persönlichkeit, unsere Lebendigkeit und auch unseren Humor. Sex braucht zumindest kleine Überraschungen und ein winziges bisschen Aufregung.

Und für guten Sex brauchen wir auf Dauer mehr als fünf Minuten unter der Bettdecke. Guter Sex ist es wert, nicht ans Ende eines langen, ermüdenden Tages geschoben zu werden.

Keine Lust auf SEX? Überlegt doch einmal, wie der Sex bei Euch stattfindet:

  • Wann genau habt Ihr Sex?
  • check
    Was genau macht Ihr dann miteinander?
  • check
    Wie viel Aufmerksamkeit schenkt Ihr Euch vorher?
  • Wann entsteht der erste Gedanke an Sex?
  • Wie einladend teilt Ihr mit, dass Ihr Euch körperliche Nähe wünscht?
  • Was habt Ihr in der Anfangszeit miteinander gemacht? Was hat Euch da besonders gefallen?
  • Wie gut könnt Ihr miteinander über Eure Wünsche, Ängste und Bedürfnisse sprechen?
  • Wie gut könnt Ihr Eure eigenen Grenzen und die Eures Partners oder Eurer Partnerin wahrnehmen?
Anja Drews
 

Als Dipl.-Sexualpädagogin, Sexualtherapeutin und Sexualwissenschaftlerin unterstütze ich Menschen dabei, ihren ganz eigenen Weg in dieser wohl spannendsten und vielfältigsten Seite unseres Lebens zu finden. Meine Arbeit erfüllt mich mit großer Freude und begeistert mich immer wieder aufs Neue! Ausführliche Informationen über mich findest du hier auf der Seite.

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