MDMA: Kann eine Droge die Liebe ankurbeln?

Kannst Du in Deiner Beziehung ganz offen über Deine sexuellen Wünsche, Fantasien und Ideen sprechen? Wenn ja, dann ist das fantastisch! Und das wünschen sich auch viele andere Menschen. Doch bei kaum einem anderen Thema herrscht eine derartig ausgeprägte Sprachlosigkeit. Und bei kaum einem anderen Thema finden wir so viele falsche Vorstellungen und hohe Erwartungen an uns selbst und die anderen wie beim Sex. Sicherlich hängt das auch ein klein wenig damit zusammen, dass sich viele gar nicht im Klaren darüber sind, was sie eigentlich wirklich wollen. Dieses dann auch noch in Worte fassen zu müssen, ist zugegebenermaßen schwierig.

Und nun stell Dir einmal vor, es gäbe eine Pille für Paarkommunikation. Eine Pille, die wir einfach nehmen können, bevor wir uns mit unserem oder unserer Liebsten zu einem Gespräch zusammensetzen. Diese Pille würde es uns erleichtern, über unsere Gefühle und vor allem über Sex zu reden! Über Sex! Das wäre Wahnsinn, oder? Viele Beziehungen würden dadurch einen ungeahnten Aufschwung erleben, viele Menschen förmlich aufblühen. Endlich käme das heraus, was schon so lange in unserem Inneren schlummert

Das Fenster zur Psyche

So unwahrscheinlich es sich auch anhört, diese Pille scheint es tatsächlich zu geben! Die Sache hat nur einen Haken: Bislang ist sie illegal. Immerhin handelt es sich dabei um nichts anderes als die chemische Verbindung 3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin, abgekürzt MDMA. Das ist der Stoff, der Ende der 1990er unter dem Namen Ecstasy Einzug in die Partyszene hielt.

MDMA, das wie Speed zur Gruppe der Amphetamine gehört und damit unter das Betäubungsmittelgesetz fällt, gibt es jedoch schon sehr viel länger. 1912 erhielt die deutsche Firma Merck das Patent auf den Stoff. Was er bewirkt, war damals erst einmal nicht bekannt. Erst Mitte der 1970er wurde MDMA als Fenster zur Psyche in der Öffentlichkeit bekannt. Und so wurde es auch von einigen US-amerikanischen PsychotherapeutInnen in der Paartherapie eingesetzt. Nur bleibt eine Droge eine Droge. Daher wurde MDMA 1986 von der Weltgesundheitsorganisation WHO weltweit verboten.

Droge oder Medikament? Wo ist der Unterschied

Was ist das denn für eine Frage, magst Du jetzt denken. Der Unterschied ist jedoch nicht so offensichtlich, wie man vielleicht meinen mag. Die WHO definiert jede Substanz als Droge, „die in einem lebenden Organismus Funktionen zu verändern vermag". Veränderte Funktionen, soso. Warst Du schon einmal angetrunken? Wie wäre es mit einem Koffeinrausch durch Kaffee oder Cola? Auch wer schon einmal ein Antidepressivum oder ein starkes Schmerzmittel eingenommen hat, wird die wahrnehmungs- und bewusstseinsverändernde Wirkung bestätigen können.

Mit dem erweiterten Drogenbegriff bezieht die WHO daher neben Cannabis, Kokain, Opiaten, Halluzinogenen, Tabak, Schmerzmitteln, Stimulanzien, Schlaf- und Beruhigungsmitteln auch tatsächlich Alltagsdrogen wie z. B. Alkohol, Kaffee und Tee mit ein. Aufgrund ihrer bewusstseinsverändernden Wirkung fallen auch viele Arzneimittel unter das Betäubungsmittelgesetz

Ein besonders schönes Beispiel für diesen schmalen Grat zwischen Arzneimittel und Droge ist Ritalin. Als legales Medikament hilft es bei ADHS. Wegen seiner anregenden und aufmerksamkeitssteigernden Wirkung ist es aber auch als Ersatz-Speed heiß begehrt. Für die einen ist es also ein Arzneimittel und für die anderen eine Droge. Letztendlich ist das, was Du in der Apotheke kaufst, ein Medikament und das, was Du bei einem Dealer bekommst, eine Droge. Ganz einfach also.

Auch LSD kann mehr als berauschen

MDMA ist nicht die erste Droge, die zuerst als Heilmethode Anwendung fand und dann verboten wurde. In den 1950ern wurde in der kanadischen Provinz Saskatchewan mit psychedelischen Drogen experimentiert. Es stellte sich heraus, das LSD bei den psychiatrischen PatientInnen eine positive Wirkung erzielte. Da sie sich durch die Halluzinationen besser in die PatientInnen einfühlen konnten, griffen auch Ärzte und Krankenschwestern selber zur Droge. Eine herrliche Vorstellung, Personal und Bewohner, die gemeinsam durch die Klinikflure schweben. Die psychedelische Wirkung wussten allerdings auch sehr viele andere Menschen zu schätzen. Als Folge für den verbreiteten Konsum wurde LSD dann 1968 erst in Kanada und später weltweit verboten

Heute wird darüber nachgedacht, diese frühe Forschung wieder aufzunehmen. LSD könnte bei schweren Angststörungen oder Depressionen einen therapeutischen Effekt haben und sich auch für den Einsatz in der Palliativpflege mit todkranken PatientInnen eignen. Vertrauen, Entspannung, Offenheit und Entängstigung gehören zu den Gefühlen, die durch die Droge ausgelöst werden. Nachdem 2007 in einer Studie festgestellt wurde, dass der Konsum von Tabak und Alkohol gesundheitsschädigender ist als der von Psychedelika, wurden die Vorschriften weltweit tatsächlich gelockert.

Drogen in der Kriegsführung

Und natürlich gibt es auch noch einen ganz anderen Antrieb, Drogen zu legalisieren. Im zweiten Weltkrieg wurden Amphetamine bewusst als Aufputschmittel eingesetzt. 1941 etwa bestellte die Wehrmacht rund 35 Millionen Tabletten des Methamphetamins Pervitin für den Westfeldzug gegen Frankreich. Weg mit Müdigkeit und Hunger bei gleichzeitiger Steigerung der körperlichen Ausdauer- und Konzentrationsfähigkeit. Statt ausgelaugter und erschöpfter Männer hatte man euphorisierte Soldaten im Dauereinsatz. Die USA wiederum haben in der 1950ern offensichtlich LSD und Psycho-Kampfstoffe an ihren eigenen Soldaten ausprobiert. Tja, wer am lautesten schreit, hat meist selbst Dreck am Stecken

MDMA als Medikament bei posttraumatischen Belastungsstörungen

Mittlerweile wird der Einsatz von MDMA in der Psychotherapie wieder diskutiert. Dazu laufen bereits Studien in den USA und in der Schweiz. Allerdings geht es zunächst nur um Behandlung der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), die infolge von Kriegserlebnissen, Umweltkatastrophen, Unfällen oder Gewaltverbrechen auftreten kann. Studien zeigen, dass Patienten unter dem Einfluss der Droge weniger Angst haben und eine engere Bindung zum Therapeuten oder zur Therapeutin entwickeln. "Die Menschen kommen in einen positiven emotional-mentalen Zustand. Sie können sich viel besser mit ihren Traumata konfrontieren und die entsprechenden Gefühle aushalten", so Dr. Peter Oehen, Psychiater und Untersuchungsleiter der Studie in der Schweiz

Warum sollte eine bewusstseinsverändernde Droge wie MDMA beim Reden über Sex helfen? 

​Wenn es um Sex geht, setzt bei vielen Menschen eine Blockade ein. Sie trauen sich nicht, über ihre Wünsche zu sprechen. Sie trauen aber auch dem Partner oder der Partnerin nicht zu, mit ihren Wünschen angemessen umgehen zu können. Sie befürchten, ausgelacht oder nicht ernstgenommen zu werden und im schlimmsten Fall sogar auf Ablehnung zu stoßen. Diese Ängste hemmen. Anderseits will aber auch nicht jeder wissen, was genau in dem oder der anderen steckt. Wer weiß schon, was da kommt? Auch diese Befürchtung kann Ängste auslösen. Und hier setzt die Wirkung von MDMA an:

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    Kontaktfreudigkeit, Offenheit und Einfühlungsvermögen werden gesteigert.
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    Es entstehen Gefühle von innerer Ausgeglichenheit, von Harmonie, von Verliebtheit und von Vertrautheit mit dem anderen.
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    Die eigenen Gefühle können intensiver wahrgenommen werden, während gleichzeitig das rationale Denken in den Hintergrund gerät.
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    Die Mitteilungsbereitschaft wird erhöht.
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    Ängste lösen sich und ein Gefühl von Frieden stellt sich ein.

Ich fasse zusammen: Unsere Ängste verschwinden, wir werden mitteilsam und können uns besser in unser Gegenüber einfühlen. Zudem erhöht MDMA die Bereitschaft, uns zu offenbaren. Und wir schweben mit unseren Glücksgefühlen dabei noch auf der verliebten Wolke 7. Beste Voraussetzungen also, um über das zu reden, was bisher unausgesprochen geblieben ist. Eine Droge als Herzöffner. Sanft und heilend. Was für Möglichkeiten in der Paarberatung und Paartherapie! Und das ist gar nicht nur Gerede. Wenn wenn alles wie geplant läuft, könnte MDMA von der amerikanischen Behörde für Lebens- und Arzneimittel (FDA) 2021 tatsächlich als Medikament zugelassen werden!

Nein, Drogen sind nicht wirklich die Lösung!

Wer jetzt losläuft und sich direkt ein paar Pillen Ecstasy besorgen möchte, sei gewarnt. Zum einen enthalten viele Pillen kaum oder sogar gar kein MDMA. Zudem ist es ja auch nun einmal immer noch verboten. Und selbst wenn es erlaubt wird, dann nur als Medikament auf Rezept und unter Aufsicht. So wie Ritalin. Auch die Nebenwirkungen sollte man nicht unterschätzen: MDMA schädigt auf Dauer die Hirnfunktion.

Und natürlich bin ich nicht wirklich dafür, Drogen zu nehmen. Mir geht es zwar wie den Ärzten in Sasketchewan: Ich würde liebend gern selber einmal die vielen verschiedenen Wirkungsweisen erfahren. Bei dem Wunsch wird es in meinem Fall allerdings auch bleiben. Und das sollte es bei Dir auch. Daher musst Du weiterhin auf Deinen Mut und eine vertrauensvolle Beziehung zu Deinem oder Deiner Liebsten bauen, wenn Du endlich das große Thema ansprechen möchtest. Und ich garantiere dir: Du kannst das! Zur Unterstützung höre doch einmal in diese Folge unseres Podcasts rein: Positive Kommunikation: Der richtige Ton für ein gelungenes Liebesleben

Anja Drews
 

Als Dipl.-Sexualpädagogin, Sexualtherapeutin und Sexualwissenschaftlerin unterstütze ich Menschen dabei, ihren ganz eigenen Weg in dieser wohl spannendsten und vielfältigsten Seite unseres Lebens zu finden. Meine Arbeit erfüllt mich mit großer Freude und begeistert mich immer wieder aufs Neue! Ausführliche Informationen über mich findest du hier auf der Seite.

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