Ist es okay, einen Orgasmus vorzutäuschen?
Sie sind schon lange ein Paar, mittlerweile sogar verheiratet. Es schien das große Glück zu sein. Vor ein paar Jahren wurde ihre kleine Tochter geboren. Nach außen erscheint alles perfekt. Aber nicht nach innen. In dieser ganzen Zeit hatte sie keinen einzigen Orgasmus mit ihm zusammen. Sie hat ihm von Anfang an etwas vorgespielt. Wie das anfing, weiß sie nicht mehr. Sie traute sich nie, ihm die Wahrheit zu sagen. Zu sehr fürchtet sie seine cholerischen Anfälle.
Aber nun muss etwas geschehen. Sie hat nicht nur keine Lust mehr, sie hat eine regelrechte Abneigung gegen jegliche Art von Körperlichkeit entwickelt. Und das belastet ihre Ehe ungemein. Wie kommt sie aus der Situation wieder heraus?
Aus welchen Gründen wird vorgespielt?
Aus der Geschichte wird deutlich, wie schnell aus einer kleinen Notlüge ein großes Beziehungsproblem werden kann. Dabei muss es nicht immer gleich so dramatisch sein. Viele Menschen täuschen einen Höhepunkt vor. Die einen nur manchmal, die anderen häufiger und die nächsten jedes Mal. Die Gründe dafür sind ganz unterschiedlich:
Vielleicht findest Du Dich hier wieder. Es kann aber auch sein, dass Dir gar nicht bewusst ist, weil Du noch nicht darüber nachgedacht hast. Dann wäre jetzt die beste Gelegenheit dazu.
Wenn der Orgasmus das Maß aller Dinge ist
Nicht nur Frauen täuschen vor. Ich habe von einer amerikanischen Studie gelesen, die besagt, dass es sogar mehr Männer als Frauen tun. Das kann man nun wie bei allen Statistiken hinterfragen. Fakt bleibt, dass wir es hier mit keinem Einzelfall zu tun haben.
Viele Menschen sehen den Orgasmus als das Ziel einer sexuellen Begegnung an. Das hat viel mit der klassischen Einteilung in Vorspiel, Verkehr und Nachspiel zu tun. Wenn wir das Ziel nicht erreichen, sind wir schnell unglücklich oder frustriert. Dabei kann Sex auch ohne Höhepunkt ein wunderbares und erfüllenden Erlebnis sein. Nun könnten wir mit unserem Partner oder unserer Partnerin darüber sprechen. Aber das ist nicht so einfach. Schließlich wollen wir weder jemanden verletzen noch uns eine Blöße geben. Und so erscheint es manchmal einfacher, so zu tun, als ob alles prima wäre.
Auch Missverständnisse kommen vor
Manchmal entsteht das Vortäuschen auch ganz einfach aus einem Missverständnis. Die Zeichen - stöhnen, sich winden, die Hände ins Kopfkissen krallen - werden falsch gedeutet. Und schon ist es zu spät. Jetzt zu sagen "Äh, ich bin noch gar nicht gekommen" scheint unmöglich.
Nimm deine Bedürfnisse ernst!
Manchmal bleibt es bei einer Notlüge. Bei einem One Night Stand ist das auch vielleicht nicht problematisch. Zumindest nicht für den anderen. Nur für uns selber ist das schade. Vorzutäuschen, und das gerade in einer festen Beziehung, bedeutet, auf Dauer die eigenen Bedürfnisse hinten anzustellen. Und genau das ist ein wahrer Lustkiller. Wenn Du nie bekommst, was Du brauchst und Dich nie so zeigen kannst, wie Du wirklich bist, macht der Sex irgendwann keinen Spaß mehr. Es kann sogar dazu kommen, dass Du jegliche körperliche Nähe meidest. Der oder die andere hat dabei keine Ahnung davon, was passiert ist. Deshalb ist das Vortäuschen nicht ok! Du schadest damit auf Dauer nur Dir selber und Deiner Lust.
Wie kommst du aus der Orgasmus-Falle wieder heraus?
Es hilft nichts, es muss heraus! Dich dem anderen zu offenbaren, kostet Mut und Überwindung. Schließlich bedeutet das auch, dass der Sex nicht so ist, wie er sein könnte oder sein sollte. Und so ist die Wahrheit eine Chance auf mehr Lust. Und auf mehr Nähe. Gemeinsam könnt Ihr herausfinden, was Ihr beide braucht. Über Sex zu sprechen, schafft eine besondere Nähe und Intimität, die Euch näher zusammen bringt.
Nun solltest Du weder generalisieren noch dem anderen die Schuld zuweisen. "Du machst nie, was ich möchte" ist eine Methode, mit der Du Deine Partnerin oder Deinen Partner garantiert vor den Kopf stößt. Besser ist es, wenn Du von Dir, Deinen Gefühlen und Deinen Wünschen sprichst. Und ganz klar äußerst, was genau Deine Partnerin oder Dein Partner machen soll. Wenn Du das gar nicht weisst, kannst Du das auch sagen. Immerhin macht Ihr gerade reinen Tisch.
Niemand täuscht aus böser Absicht vor
Vielleicht stehst Du auf der anderen Seite und Dein Partner erklärt Dir gerade, dass sie oder er gar nicht wirklich zum Höhepunkt kommt. Das verletzt Dich im ersten Moment und Du fühlst Dich hintergangen. Dann denke bitte daran, dass mit Sicherheit keine böse Absicht dahinter steckt. Du wurdest nicht bösartig und mit Absicht getäuscht. Deinem Partner ist es damit auch nicht gutgegangen. Aber irgendwelche Gründe haben sie oder ihn vorher daran gehindert, Dir die Wahrheit zu sagen. Wer weiß, war es sogar genau diese Reaktion, die Du jetzt zeigst? Du darfst verletzt sein. Aber nimm Dir damit nicht die Möglichkeit zu einer echten Veränderung.
Eine Chance
Das Paar von oben gibt es übrigens tatsächlich. Sie hat irgendwann die Reißleine gezogen und ihm die Wahrheit gesagt. Zuerst tobte er, fühlte sich hintergangen und betrogen. Genau so, wie sie es befürchtet hatte. Dann begann er nachzudenken. Und sie begannen, miteinander zu reden und sich wieder anzunähern. Nicht nur in sexueller Hinsicht. Gemeinsam fanden sie heraus, wie der Sex besser werden konnte. Und dann war er da, ihr erster Orgasmus!